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Legenden und Sagen:
Anmerkung: Die älteste bekannte, in Latein verfasste, schriftliche Aufzeichnung dieser Legende, stammt aus der Mitte des 18. Jahrhunderts von Jakob Raunigg, Pfarrer zu Stein im Jauntal.
Hildegard von Stein
Westlich des Klopeiner Sees stehen auf einem hohen Felsen die spitztürmige Kirche von Stein und die Reste ehemaliger Wehrbauten. In der Kirche ruht die selige Hildegard von Stein, die im Unterland von der Bevölkerung hoch verehrt wird. Das Leben dieser edlen Frau schildert eine unserer schönsten Sagen.
Der deutsche Kaiser schenkte das südliche Jauntal um die Mitte des 10. Jahrhunderts dem bairischen Adeligen Albuin und dessen Gattin Hildegard. Die beiden Adelsleute erbauten in Unterkärnten zwei Burgen.

Die eine erhob sich gegenüber von Möchling am steilen Abfall des Skarbinfelsens, wo der Sattnitzzug bei der Annabrücke plötzlich zur Drau abbricht. Von jener Burg Prosnitza selbst findet man keine Spur mehr, doch auf einem Deckengemälde im Schloß Möchling ist sie abgebildet. Die zweite Burg stand auf dem Steiner Berg, der sich am anderen Drauufer erhebt. Von der Burg Stein sind noch Ruinenreste erkennbar.
Albuin und Hildegard verbrachten ihre ersten Ehejahre in ungetrübtem Glück auf der Burg Prosnitza. Einmal mußte aber der Graf seine Feste am Skarbin für längere Zeit verlassen, weil ihn ein Krieg in die Fremde rief. Deshalb übertrug er die Verwaltung seiner Güter seinem jüngeren Bruder Uduin. Er bestellte ihn auch zum Ehrenhüter der Frau Gräfin.  Uduin aber war ein böswilliger Mann. Weil er von der Schönheit seiner Schwägerin geblendet war, versuchte er, ihr nachzustellen und sie für sich zu gewinnen. Hildegard aber blieb gegen diese sündhaften Anträge standhaft. Diese Abweisung traf Uduin in seinem Innersten, und er sann einen teuflischen Racheplan aus. Dafür gewann er auch Lupa, eine Magd auf der Burg Prosnitza.


Als Graf Albuin wieder zurückkehrte eilte ihm sein Bruder schon mit der Botschaft entgegen, Frau Hildegard wäre dem Gatten während seiner Abwesenheit untreu geworden Dies könne auch Lupa, die Kuhmagd, bezeugen. Der Graf begann tatsächlich an der Treue seiner Gemahlin zu zweifeln und ritt zornentbrannt zur Burg hinauf. Vor dem Haupttor traf er Lupa, die gerade eine Kuh molk. Als er sie nach der Untreue seiner Gemahlin fragte, erklärte Lupa: "Ja, das stimmt. Ich habe sie mit eigenen Augen bei anderen Männern gesehen. Und wenn das nicht wahr ist, so soll ich samt der Kuh zu Stein werden!"  

Diese Rede war für Albuin genug. Er rannte zu Hildegards Kemenate hinauf. Ohne ein Wort zu sprechen packte er seine Gemahlin an den Haaren und Kleidern und stürzte sie in sinnloser Wut aus dem Fenster, hinunter gegen den Draustrom. Als Dorothea, die Zofe Hildegards, die Unschuld der Gräfin beteuerte, warf er auch die Zofe zum Fenster hinaus.  
Krypta der Kirche von Stein im Jauntal
Nach der Untat vernahm der Graf vor dem Fenster süße Musik. Als er in die Tiefe blickte, sah er die Gräfin und ihre Zofe, umgeben von einem himmlischen Schein, auf einem Felsen ober der Drau sitzen, wo sie Gott lobten. Dieses Wunder brachte den Grafen zur Besinnung. Er wollte sich nun an der Magd rächen, die offensichtlich einen Meineid geschworen hatte. Er fand zwar Lupa noch an der früheren Stelle, doch sie war samt Kuh, Melkkübel und Schemel in Stein verwandelt.  
Albuin stürzte in die Burg zurück, um seine Gemahlin mit Seilen aus der Tiefe heraufzuholen. Als er aber wieder in den grausamen Abgrund blickte, sah er, wie Engel die beiden Frauen singend und musizierend über die Drau auf die Burg Stein hinübertrugen. Nur kurze Zeit konnte er diesem Wunder folgen, dann schwand ihm sein Augenlicht.  

Nun erst erkannte der Graf seine sinnlose Tat vollends, und er wollte das furchtbare Geschehen wieder gutmachen. Nachdem er seinem Bruder die Lüge verziehen hatte, machte er sich unter dem Namen Paul auf eine weite Pilgerreise Er suchte das Heilige Grab in Jerusalem auf und kam auch zum Papst nach Rom, der ihn von seinen Sünden lossprach. Nach der Heimkehr eilte er zu seiner Gemahlin auf die Burg Stein und bat sie um Vergebung seiner Freveltat. Hildegard war ihrem Mann nicht mehr böse, und als Sie mit ihren zarten Händen über seine geschlossenen Augenlider strich, wurde er wieder sehend. Aber alle Bitten, die Gattin möge wieder mit ihm auf die Burg Prosnitza ziehen, schlug sie entschieden ab. Beim Abschied sagte Hildegard zu ihrem traurigen Gemahl: "Sehen werden wir uns nicht mehr, doch die Glocken sollen unsere Botinnen sein."  

Graf Albuin baute zum Dank, daß er durch Gottesfügung seine Gemahlin noch einmal hatte sehen dürfen, zu Möchling eine Kirche. Täglich hörten nun die getrennten Eheleute die Glocken von Stein und Möchling. Die kleinen Hügel aber, die dazwischen liegen, verhindern die Sicht vom einen Ort zum anderen. Als Grat Albuin bald darauf starb, wurde er in seiner Kirche zu Möchling beigesetzt.  
Striezelwerfen
Nach dem Tod ihres Gemahls errichtete Frau Hildegard von Stein ein Hospiz zur Beherbergung und Pflege der Armen und Kranken. An ihrem Geburtstag, Anfang Februar, ließ sie jedesmal einen Ochsen  im Wert von fünf Gulden schlachten und ein reiches Mahl für die Bedürftigen zubereiten. Vor ihrem Tod ordnete die Gräfin noch eine Armenstiftung für ewige Zeiten an: Die Erträgnisse aus dreizehn Bauernhuben müßten dem Pfarrer zu Stein für die Stiftung übergeben werden.
Striezel
Jene Stiftung lebt noch im Striezelwerfen zu Stein weiter, das dort alljährlich am ersten Sonntag im Monat Februar stattfindet. Von einem Balkon aus werden kleine Brötchen unter die versammelten Menschen geworfen, welche diese als Glücksbringer in ihre Häuser mitnehmen.

Aus Matthias MAIERBRUGGER "Kärntner Sagenbuch"
Verlag Johannes Heyn, Klagenfurt 1999, S. 270 - 273
Letzte Aktualisierung: 7.10.2020
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